laut.de-Kritik

Nicht alles-alles scheißegal.

Review von

As Days Get Dark" war eine eher gemischte Tüte mit arg viel in sich ruhender, gesättigter Trübsal. Da passt der neue Albumtitel "I'm Totally Fine With It Don't Give A Fuck Anymore", das wir ab jetzt "ITFWIDGAFA" nennen wollen, wie die Faust aufs Auge. Aber wie das so ist mit Leuten, die gerne mal damit kokettieren, dass ihnen alles am Arsch vorbeiginge, sind das meist diejenigen, die davon nicht weiter entfernt sein könnten.

Und das ist das Hauptproblem von "ITFWIDGAFA"; Aidan Moffat läuft in seine eigene Erwartungshaltung hinein. Was wären Arab Strap ohne Aussage, ohne Message? Also wird munter gegrantelt, und das aber nicht über gute, alte schottische Traditionsthemen. Statt dessen bekommt die Sozialkritik einen 2024er-Anstrich, oder was ein 51-jähriger Bairns (so nennt man Menschen aus Falkirk) dafür hält. Im Ergebnis bedeutet das sehr viel Schelte übers Netz und seine Umgangsformen, die davon ausgehende soziale Verrohung, und wie man sich dem irgendwie nicht entziehen kann. Schlaft ihr schon?

Im Opener "Allatonceness" kommt ernsthaft die Zeile "And nobody knows anyone", so weit sind wir anscheinend schon. Man möchte Moffat entgegenrufen: "Früher war Hitler!", damit er sich wenigstens ein wenig versöhnt mit der bösen Gegenwart. Nach der abstrakten Zeitenabrechnung im Opener kommt mit "Bliss" expliziter der Frauenhass im Netz dran. Altbacken und ethisch richtig wie ein Monitor-Beitrag. Leider hatte Malcolm Middleton nur auf dem ersten Song Bock, hier grenzt es an Arbeitsverweigerung wie bei Sleaford Mods von vor zehn Jahren mit fehlendem Kabel.

Beim "Sociometer Blues"geht es um das Netz als Energievampir, von dem sich Moffat nicht lösen kann. Das geht im Ergebnis kaum tiefer, als dass er es halt einfach doch tun sollte, wenn er es denn wollte. Der Heroin-Chic, den Arab Strap um die sozialen Medien aufbauen, verfängt nicht recht. Es gibt Dinge, die nerven, die gefährlich sein können, die aber trotzdem nicht der Untergang des Abendlandes sein müssen und ohne zweite Ebene kein Album tragen. Seltsam wird es, wenn ein Sehnsuchts-Schmachter wie "You're Not There", an sich ein ungewohntes und nettes Stück, künstlich vollgepackt werden mit modernen Medien als Konversationsmittel. Wie es besser geht, zeigt die mit stimmiger Gitarre gut ausgestattete Einsamkeits-Elegie "Safe & Well", die praktisch im Sinne von "hands-on" einen modernen Trauerprozess nachzeichnet, nämlich einen Witwer, der seiner Frau weiter Nachrichten schreibt.

Von allen inhaltlichen Fragen abgesehen ist "Hide Your Fires" stinklangweilig, da so schematisch und vorhersehbar. Das gilt auch für "Sommer Season", dessen Isolationslyrics nachvollziehbar sind, das aber keinen Zug entwickelt. Auch hier scheint die bessere Alternative so nah, denn wenn die Schotten die Akustikklampfe herauskramen, geht es nicht nur auf "Safe & Well" gleich viel songdienlicher los, sondern auch "Molehills" entwickelt einen starken Sog. Das mit Drums und Klavier rumpelnde "Haven't You Heard" schafft das ebenfalls und erinnert daran, was diese Band so interessant machte.

Die romantische Ader steht vorzüglich im Mond-Veitstanz "Strawberry Moon", und plötzlich kommen One-Liners wie "I'll give you daughters, give you sons – we'll form a band!" heraus und man möchte danach Mogwai und Franz Ferdinand hören, so schottisch fühlt man sich. Den scharfen Witz des Sängers vermisst man kaum, wenn er seine gefühlvolle Seite so schillernd blitzen lässt.

"Dreg Queen" gibt sich solide mit schöner Gitarrenarbeit und erinnert stark an den Sound von The National, ohne die Dynamik deren besserer Songs zu erreichen. Schon heißt es "Turn Off The Light", verwirrt bleibt man zurück. Der Closer macht wieder einiges richtig, gewinnt sogar Gravitas und Härte. Hat man jetzt einem alten Mann beim Schimpfen über Keyboardgestümpere zugehört oder einer Band beim Entwickeln eines neuen, warmen Sounds? Two things can be right.

Trackliste

  1. 1. Allatonceness
  2. 2. Bliss
  3. 3. Sociometer Blues
  4. 4. Hide Your Fires
  5. 5. Summer Season
  6. 6. Molehills
  7. 7. Strawberry Moon
  8. 8. You're Not There
  9. 9. Haven't You Heard
  10. 10. Safe & Well
  11. 11. Dreg Queen
  12. 12. Turn Off The Light

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