laut.de-Kritik

Eines der besten Unplugged-Alben aller Zeiten.

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Lange bevor ein hirnverbrannter Irrer den Namen Tesla in den Dreck gezogen hat, drehte schon eine kleine, aber sehr feine Band dieses Namens ihre Runden über den Globus. 1986 steckte die aus dem kalifornischen Sacramento stammende Gruppe mit "Mechanical Resonance" ihren ersten Claim ab. Allein in den USA verkaufte sich das Debüt über eine Million Mal. Druckvoller Hardrock, gespielt von Könnern ihrer Instrumente, untermalten einen zeitgenössischen Sound, den die Öffentlichkeit gerne in eine Schublade mit Mötley Crüe, Poison und der ganzen Dreiwettertaft-Bagage des Glam-Metal steckte.

Das Quartett besaß aber eine wesentlich deftigere, bluesige Schlagseite. Das liegt nicht zuletzt am formidablen Sänger Jeff Keith, der mit seiner charakteristischen und unter tausend anderen herausstechenden Stimme. Der zweite Streich "The Great Radio Controversy" verdoppelte 1989 die Verkaufszahlen des Vorgängers noch einmal, was auch dem "Love Song" geschuldet war. Die Feuerzeug-Ballade schaffte es sogar in die Top Ten der Single-Charts. Tesla waren zu der Zeit eine recht große Nummer und bestritten 1990 auf Einladung von Nikki Sixx und Co. den Support-Slot auf der "Doctor Feelgood"-Tour der Crüe.

Kurz bevor die Entourage den Tourbus besteigt, spielen Tesla im März eine kleine Akustik-Performance bei den Bay Area Music Awards, den Bammies, in San Francisco. Ihr Manager Peter Mensch (AC/DC, Scorpions, Def Leppard, Dokken, Queensrÿche, Metallica) brachte daraufhin die Idee ins Spiel, an freien Tagen der anstehenden Tour rein akustische Konzerte zu geben. Da die Herrschaften sich aber als beinharte Rocker sahen, konnten sie mit der Idee zuerst nichts anfangen. Mensch wusste aber, wie er sie dazu bewegen konnte, und stichelte, dass sie das musikalisch ja ohnehin nicht draufhätten. Bei der Ehre gepackt, konzipierte das Quintett eine 90-minütige Show, die sie dann tatsächlich auf die Bühne brachten.

Vor dem Tourstart mit Mötley Crüe debütierten Tesla akustisch mit ihrem Konzert in San Francisco. Das Echo fiel mehr als nur wohlwollend aus, und so fügten sie noch weitere vier Dates an freien Tagen dazu. Der vorliegende Konzertmitschnitt dokumentiert den Auftritt im Trocadero Theatre in Philadelphia. Von den 14 aufgenommenen Songs stammen neun aus der bandeigenen Feder, garniert mit fünf wohlüberlegt ausgewählten Cover-Versionen.

Wer jetzt gleich denkt, dass Tesla hier nur die Erfolgsformel von MTV-Unplugged runternudeln: Das Format gab es damals zwar schon, aber erst Paul McCartney veröffentlichte 1991 als erster Künstler einen Tonträger unter diesem Banner. Tesla waren dem Zeitgeist eine Nasenlänge voraus. Aber nicht nur das: Auch die Performance der Musiker auf der Bühne reißt komplett mit.

Den Anfang macht "Comin' Atcha Live", das im Original in einem Affentempo dahergaloppiert, für die entstöpselte Version jedoch, in eine rock'n'rolligen Backbeat-Version um-arrangiert, in einem absolut eigenständigen Licht erstrahlt. Der Song funktioniert auf beiden Eben prächtig. Das ist eben die Kunst, elektrifizierte Stücke so umzugestalten, dass sie nicht wie die fußlahmen Kollegen des Originals daher schlurfen. Eingeworfene Solo-Spielereien auf der Klampfe erwecken tatsächlich den Eindruck, man wohne ein paar Kumpels beim Musizieren bei, die sich nach der Arbeit bei einem Bier in der Scheune von Farmer Bill treffen.

Der Opener entpuppt sich als Medley. Dem Auftakt schließt sich nahtlos "Truckin'" von Grateful Dead an. Den Spieß in die andere Richtung drehen Tesla dann mit "Heaven's Trail", der Hymne auf das Live-Spielen. Im Vergleich zur Studio-Version ziehen sie hier das Tempo an. Troy Luccketta an den Drums sorgt für hübsche Einwürfe an den Toms, die Gitarristen Tommy Skeoch und Frank Hannon haben den Bottleneck für die nötige Western-Atmo immer griffbereit.

Wer nicht auf (Power-)Balladen steht, dem kommt entgegen, dass Tesla den Schmalz aus ihren ruhigeren Nummern mittels Reduzierung aufs Wesentliche rauspressen, wie in "The Way It Is" und dem erwähnten "Love Song". Wobei sie bei letztgenanntem die Vorgabe 'acoustical' etwas ad absurdum führen und am Ende doch auf den Verzerrer latschen.

Die pure Spielfreude dieses Sets offenbart sich auch am Nonsens, den die fünf hier allen Ernstes auf Tonträger bannen. Neben dem abschließenden Non Album-Track "Down Fo' Boogie" ist das zuvorderst die Ode an den Redneck namens "Tommy's Down Home". In ebenjenem darf sich ein Klischee-Südstaatler selbst dafür abfeiern, dass er die Klöten von langhaarigen Hippies am nächsten Baum aufknüpft: "I'd like to cut the balls of a long-haired hippy, and tie them up to a tree, 'cause I'm a country boy from Nashville, that's Nashville, Tennessee."

Auch die Cover-Versionen sprühen nur so vor Engagement. "Lodi" von CCR, "We Can Work It Out" der Beatles, "Mother's Little Helper" von den Stones machen sie sich erfolgreich zu eigen. Die Neuinterpretation des Five Man Electrical Band-Stückes "Signs" nimmt dabei eine Sonderstellung ein. Diesem Song ist es eigentlich zu verdanken, dass Tesla überhaupt auf den Gedanken kamen, dieses Album zu veröffentlichen.

Nebenbei verhalfen die kanadischen Original-Interpreten des Stücks dem Album auch zu seinem Namen. Eine Aufnahme des Songs eines Akustik-Sets aus Boston avancierte zu einem vielgefragten Radio-Hit, so dass die Band die Bänder, die im Regal vor sich hingammelten, aus dem Keller holte und sie noch einmal überarbeitete. Brian Wheat war mit seinen Bass-Parts micht zufrieden und spielte sie im Studio noch einmal ein, in einem Take, ohne Pause - die einzigen Overdubs auf der kompletten Platte. Erst war nur eine EP angedacht, aber die Musiker selbst drängten das Label dazu, eine komplette LP daraus zu machen. Der Erfolg gab ihnen Recht und füllte die Kasse ordentlich auf.

Einige Zufälle führten dazu, dass Tesla, im Nachgang betrachtet, eines der besten Unplugged-Alben aller Zeiten veröffentlichten. Neben der oben erwähnten anfänglichen Abneigung gegenüber Akustik-Sets war auch die Eigenwahrnehmung der Band die, dass das aufgenommene Material die schlechteste Performance aller Akustik-Shows beinhaltete. Erst als sie sich das ganze Konzert noch einmal angehört hatten, merkten sie auf einmal, was sie da an der Hand hatten. Brian Wheat: "Es klang so cool. Nicht technisch brillant, aber es besitzt einen unglaublichen Vibe." Amen.

In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.

Trackliste

  1. 1. Comin' Atcha Live/Truckin'
  2. 2. Heaven's Trail (No Way Out)
  3. 3. The Way It Is
  4. 4. We Can Work It Out
  5. 5. Signs
  6. 6. Gettin' Better
  7. 7. Before My Eyes
  8. 8. Paradise
  9. 9. Lodi
  10. 10. Mother's Little Helper
  11. 11. Modern Day Cowboy
  12. 12. Love Song
  13. 13. Tommy's Down Home
  14. 14. Down Fo' Boogie

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