laut.de-Kritik

Wummernde Basslinien auf Vinyl.

Review von

Seit einigen Jahren erlebt die Schallplatte ein Comeback. Doch während große Labels und Jack White mit seiner Special-Edition zu "Lazaretto" ihre Pressungen innerhalb von wenigen Tagen bekommen, geht die Entwicklung zunehmend zu Lasten ausgerechnet der kleinen Labels, die viele Jahre lang den Defibrillator für das schwarze Gold darstellten. Auf Grund der wenigen Pressen, die mit den Bestellungen kaum noch nach kommen, stellt eine Wartezeit von mehreren Monaten keine Ausnahme mehr dar. Nun hat es aber auch The Delegators Debüt "All Aboard" auf Vinyl geschafft.

Wer mit Ska, Rocksteady, 2 Tone und dem Motown-Soul der 1960er auch nur im Ansatz etwas anfangen kann, hängt hier vom ersten Moment an der Platten-Nadel. Der derb abgehangene und unerbittliche Groove der Londoner überzeugt auf Anhieb. Der aufwühlende Soul, den die charismatische Sängerin Janet Kumah in das Kollektiv einbringt, hebt The Delegators deutlich von ihren Konkurrenten ab. Authentisch und grobkörnig abgemischt verweigern sich ihre einnehmenden Tracks solch banalen Spinnereien wie Jahreszahlen.

Wohin die Reise geht, macht "Be Good To Me" sofort klar. Ein dröhnender Basslauf, schnatternde Bläser und ein immer wieder ins Stocken kommendes Schlagzeug verschmelzen dank gefühlten 36 Grad zu einer unzertrennbaren Einheit. Doch erst das entwaffnende Songwriting veredelt "All Aboard". Wie alte Freunde stehen einem die zwölf Stücke zur Seite. Da lässt man sich von Kumah in "I Didn't Mean To Break Your Heart" sogar gerne die alte "Aber wir können doch Freunde sein"-Lüge auftischen. "You Know I Love You Like A Friend." Ja, nee, ist klar!

Jede Bewegung in "Trouble" und "Minus One" wird zur Last. Der Schweiß tropft von den Wänden. Tapfer streckt sich Kumahs Stimme aus dem wabernden Gewoge ihrer Band heraus, in der Hoffnung wenigstens einen leichten Windstoß zu erhaschen. Mit "Nowhere To Run" integrieren The Delegartors den von Holland–Dozier–Holland geschriebenen Martha And The Vandellas-Hit geschickt in ihr Soundgefüge.

Sicherlich möchte man nicht immer acht Monate auf eine LP warten und für die Eingangs erwähnten Probleme muss sich eine Lösung finden. Wenn die Nadel aber die ersten Takte vom Titeltrack "All Aboard" berührt und das Delegators-Schiff direkt in Kingston anlegt, macht sich schnell die Einsicht breit: Nichts fühlt sich so ergreifend an, wie eine wummernde Bassline auf Vinyl!

Trackliste

  1. 1. Be Good to Me
  2. 2. I Didn't Mean To Break Your Heart
  3. 3. Crying
  4. 4. It Ain't Love
  5. 5. All Aboard
  6. 6. Dance
  7. 7. Minus One
  8. 8. Into Your Eyes
  9. 9. I Don't Mind
  10. 10. Trouble
  11. 11. You And Me
  12. 12. Nowhere to Run

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