laut.de-Kritik

Hallelujah, Jesus springt dir an die Gurgel!

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Ein impulsiver Opener ist genauso effektiv wie ein guter Beischlaf am Morgen. "Not Yet" liefert den erotisch-frischen Einstieg in den Alltag, mit galoppierendem Klavier, rhythmischer Trommelgymnastik und ekstatischer Urschrei-Therapie. The Veils debütierten bereits 2004 beeindruckend mit "The Runaway Found" und liefern nun den zweiten atmosphärischen Rock-Schleier "Nux Vomica".

Hinter diesem geheimnisvollen Titel verbirgt sich ein "Giftbaum", der in Südostasien wächst. Die Früchte dieses Gewächses (auch als Brechnuss bekannt) dienen als Heilmittel, aber auch als Brunnen für das hochgiftige Strychnin. Dieses Album könnte somit deinem Leben ein Ende bereiten, oder aber auch einfach nur Gutes tun und den gestressten Magen beruhigen. "Nux Vomica" enthält viele variantenreiche Emotionen, die jede Lebenssituation unterstützen.

Der eigenwillige Frontmann Finn Andrews formiert die Band neu (ohne zu zögern, verabschiedete er sich nach dem erfolgreichen Erstlingswerk von seiner alten Truppe) und schreibt für das Nachfolgealbum Songs in seiner Heimat Neuseeland; dementsprechend vertraut klingen die Texte des gerade mal 23 Jahre jungen Songschreibers, der in London geboren wurde.

Die wuchtige Musikkomposition kribbelt nicht nur im Bauchnabel. Neben kräftigen Gitarren spielt das Tasteninstrument eine dominierende Rolle. Ein Mann für alle Fälle, der auch gerne mal selbst in die Rolle einer jungen Mama schlüpft und allen Frauen weise Ratschläge erteilt. Diese Tipps dürften allen Muttis, ausgenommen vielleicht Eva Herman, direkt aus der Seele sprechen ("Advice For Young Mothers To Be"), besonders aber einigen Schulfreundinnen, die in der Zwischenzeit Kinder bekommen haben und denen dieser Song gewidmet ist.

Charismatischer Rock im Bluesgewand tastet sich durchs ganze Album. Toxisch und ausdrucksstark ist die gesangliche Präsenz vor allem bei "Jesus For The Jugular" (Ups, Jesus springt dir hier an die Gurgel!) und "Under The Folding Branches". Alben von u.a. Tom Waits und Leonard Cohen sind bei Mr. Andrews zur Inspiration im Plattenregal gewiss ganz vorne einsortiert.

Aber auch die britische Popfiktion aus dem Hause Starsailor klingt hier weiterhin typisch in den Ohren ("A Birthday Present, One Night On Earth"), wobei diese beim Debüt noch stärker dominierte. Der Sound von "Nux Vomica" ensteht in Los Angeles unter der Obhut von Nick Launay, der auch schon Nick Cave & The Bad Seeds auf analoges Band aufnahm.

Es gibt Tage, da sieht man den Wald voller Bäumen nicht. Doch dann hört man The Veils, die ach so wunderbar englisch klingen, und die Perspektive ändert sich aufs Wort. Mit Andrews Stimme vergisst man den Trouble um sich herum, sinkt in einen ehrlichen Wohlfühlzustand, und ein Lächeln begleitet einen den ganzen Tag. Am Ende träumt man sogar vom eigenen Haus, indem alle zusammen leben, die man gerne hat und der Seufzer wird lauter... ("House Where We All Live")! Der Geist ist mit dir. Hier zeigt sich am Ende noch mal deutlich die religiöse Machenschaft. Finn war Schüler in einer sehr christlichen Einrichtung, und ohne, dass er es zu wissen scheint, ist der Einfluss groß.

Trackliste

  1. 1. Not Yet
  2. 2. Calliope!
  3. 3. Advice For Young Mothers To Be
  4. 4. Jesus For The Jugular
  5. 5. Pan
  6. 6. A Birthday Present
  7. 7. Under The Folding Branches
  8. 8. Nux Vomica
  9. 9. One Night On Earth
  10. 10. House Where We All Live

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